Heimatgeschichte

Vom Gunthersteig zur Böhmerstraße


Die alten Verkehrswege, welche den Böhmerwald von West gegen Ost und von Süd gegen Nord durchschnitten, waren ursprünglich nur für Saumpferde und Kraxengänger gangbar. An den sumpfigen Stellen waren sie mit Holzstämmen "gebruckt". Heute sind sie größtenteils mit Wald bewachsen und bilden Hohlwege. Das Säumen war keineswegs ungefährlich. Nicht nur wilde Tiere (Bär, Wolf) machten es unsicher, sondern auch derlei lichtscheues Gesindel und Raubritter, die zu manchen Zeiten in den Burgen hausten, die ursprünglich zum Schutze des Steiges angelegt wurden. Nach den Hussitenkriegen war am "Goldenen Steig" für eine Säumerkarawane zum Beispiel ein Geleite von 10 bis 30 Schützen notwendig.

Sehr beeinträchtigt wurde der Verkehr duch die vielen Mauten und das Stapelrecht. Letzteres zwang die Säumer, ihre Waren in die Stadt zu bringen, oder die Waren drei Tage feil zu halten, weil der Stapelplatz das Vorkaufsrecht hatte. Auch bestand der Straßenzwang, das heißt kein Säumer durfte von den vorgeschriebenen Pfaden, die oft Umwege machten, abweichen. Benützten sie trotzdem einen Seitenweg (Schliefweg) oder umgingen sie die Mautstelle, so verloren sie das Gut. Übrigens handelte es sich in alter Zeit nicht um einen Verkauf der Waren, sondern um Tausch. Der Säumer bekam in Passau nur Salz, wenn er Waren aus Böhmen mitbrachte. Nach Böhmen wurde eingeführt: Salz (das Böhmen bekanntlich fehlte), Eisen, morgenländische Gewürze, Öl, Pfeffer, Wein, Tuch, Seide, Waffen, Schmuck, Glas. Dagegen wurde ausgeführt: Pferde, Rinder, Wachs, Pelzwerk, Getreide, Butter, Schmalz, Käse, später auch Malz, Bier, Branntwein, Tuch und Glas.

Der Verkehr blühte namentlich im 16. Jahrhundert. Infolge einer Zollsteigerung 1693 ließ der Handel nach. 1659 wurden im Böhmerwald Salzniederlagen mit Gmunder Salz errichtet und 1706 die Einfuhr fremden Salzes verboten. Dadurch ging der Handel zurück, hingegen blühte der Schmuggel auf.

Goldener Steig
Insgesamt waren an die 15 solcher Säumerwege angelegt. Am bekanntesten war der "Goldene Steig" im unteren Wald. Er ging von Passau aus über Grubweg, Salzweg, Leoprechting, Großthannensteig, Salzgattern, Waldkirchen, Schiefweg, Fürholz (Maut), Böhmzwiesel, Grainet, Bischofsreut, Marchhäuser, Böhmischröhren, Wallern (1612 Zollstelle), Zuderschlag, Burg Gans, Albrechtschlag, Pfefferschlag und Prachatitz. Der Steig dürfte einer der ältesten überhaupt sein.

Bayerweg und Böhmerstraße
Im oberen Wald wird als erster der "Bayerweg" genannt. Derselbe ist wahrscheinlich erst nach der Erbauung seiner Schutzburg "Riesenberg" (1279) stärker begangen worden. Dieser nördlichste Weg, der den Böhmerwald berührt, ging also von Regensburg bzw. Straubing nach Cham. Von dort über Furth, Eschlkam, Neumark, Neugedeihn nach Klattau.

Ein zweiter Bayerweg (die Bayern nannten ihn "Böhmerstraße") führte durch den mittleren Wald, und zwar von Deggendorf, Hausstein, Hochdorf, Weißenstein, Poschetsried, Rinchnachmündt nach Zwiesel, über die "alte Wacht", an der Grenze nach dem erst im 14. Jahrhundert gegründeten Eisenstein und dann als sogenannte Hochstraße nach Drossau und Klattau.

Gunthersteig
Ein zweiter wichtiger Weg in diesem Gebiet war der "Gunthersteig", von Niederalteich über Auerbach, Kirchberg nach Rinchnach, von wo der selige Gunther durch den Urwald den Steig nach Gutwasser in Böhmen anlegte. An diesem Steig entstanden bald die Orte Bärnzell, Zwiesel, Lindberg und in Böhmen Gsenget, Stubenbach, Hinterhäuser.

Der Salzhandel blühte namentlich im 16. Jahrhundert, nahm im 17. Jahrhundert ab und ging nach 1761 ein. Unbestritten war der Prachatitzer Weg für den Salzhandel der bedeutendste. Im 16. Jahrhundert kamen wöchentlich 1300 Saumrosse von Passau nach Prachatitz. Die Saumpfade verliefen größtenteils anders als die heutigen Straßen und Bahnen, welche die Steigungen soviel wie möglich vermeiden, während umgekehrt die alten Wege die Niederungen mieden. Das wird erklärlich, wenn wir uns vor Augen halten, dass die Wälder bis zum 30jährigen Krieg und in vielen Gegenden noch später den Straßenbau und die Schotterung nicht kannten (und zur Vermeidung von Heeresdurchzügen auch nicht wollten) und darum der leicht versumpfenden und auflockernden Niederung auswichen, dafür die steinigen Hänge bevorzugten. Der Saumweg über dem Blöckenstein erreichte 1200 Meter, die Hochstraße bei Eisenstein 1190 Meter und der Gefilderweg über den Lusen 1200 Meter. Bei Aufgrabungen der alten Saumwege finden sich neben anderen Dingen besonders viele kleine Hufeisen, was bezeugt, dass diese ersten Verbindungen nach Böhmen ausgezeichnet frequentiert waren.

Quelle: Aus einer älteren Regionalzeitung, Datum unbekannt.

Der Gunthersteig im Querschnitt:

Gunthersteig im Querschnitt

Christian Benz