Berufe der Vorfahren

Sozialstatus und ausgeübte Gewerbe


Landwirt, Bauer

Der mit Abstand meist genannte Beruf unter meinen Aszendenten mütterlicherseits war Landwirt oder Bauer. Bei knapp 2/3 der Einträge - um genau zu sein 65% - ist dieser Beruf aufgeführt. Zwei von drei Vorfahren waren also in der Landwirtschaft tätig.
Lassen wir hier den "Vater der bayerischen Geschichtsschreibung" Johannes Aventinus zu Wort kommen, der 1533 folgendes über die Bauern schrieb:

Der gemain man, so auf dem gä und land sitzt,gibt sich auf den ackerpau und das viech,
ligt demselbigen allain ob, darf sich nichts ongeschaft (Befehl) der öbrikait understen, wird auch
in kainen rat genomen oder landschaft ervodert;doch ist er sunst frei, mag auch frei
ledig aigen guet haben, dient seinem herren,der sunst kain gwalt über in hat, jerliche güld
zins und scharwerk, tuet sunst was er wil, sitzttag und nacht bei dem wein, schreit singt
tanzt kart (Kartenspielen) spilt (Glücksspiel/Würfeln); mag wer (Waffen) tragen, schweinspießund lange Messer. Grosse und
überflüssige hochzeit, totenmal und kirchtaghaben, ist erlich und unsträflich, raicht
kainem zu nachtail, kumpt kainem zu übel.

Gütler

Bei der Erntearbeit

Doch damit nicht genug. Es finden sich des Weiteren noch bei 10% der Vorfahren (Doppelnennungen beim Beruf oder Status nicht berücksichtigt) Eintragungen nach denen diese sogenannte "Gütler" waren. Ein Gütler kann als Kleinbauer verstanden werden, der über ein kleines Gut (ein "Gütl"), also Land verfügt.

Häusler

War der Besitz noch kleiner, so sprach man von einem Häusler bzw. einer Häuslerin (mittelhochdeutsch "hiuseler"). Dies ist eine aus dem Feudalismus (auf Grundlage des mittelalterlichen Lehnswesens ausgebildete Staatsform) stammende Bezeichnung für die Besitzer kleinster Anwesen. Dies können beispielsweise Dorfbewohner gewesen sein, die ein kleines Haus, jedoch kein (oder nur ganz wenig) eigenes Land besaßen, wenig oder gar kein Vieh hatten und auch nur über geringe Gemeinderechte verfügten. (Siehe dazu auch unter: "Hoffuß - Hofgrößen", dort erfahren Sie auch, was es mit den Ausdrücken Maier, Huber, .) Häusler arbeiteten meist als Tagelöhner bei den jeweiligen Grundherren und waren auf diesen Nebenerwerb angewiesen, da der eigene Besitz nicht zum Lebensunterhalt ausreichte. Der Anteil der Häusler beträgt 7 Prozent.

Tagelöhner, Inwohner

Tagelöhner eines Hofbesitzers, die in auf dem Hof befindlichen sogenannten Inhäusern (auch "Innhaus") wohnten, wurden als Inleute, Inwohner oder ähnlich, bezeichnet. Inleute waren also zumeist Mieter oder Mitbewohner, die keinen Grund und Boden ihr Eigen nennen konnten, sondern auf dem Hof des Bauern mitarbeiteten wofür ihnen ein kleines Stück Feld überlassen wurde. Ein Inmann unterstand damit der Grundobrigkeit, auf deren Grund er wohnte. Alle entsprechenden Mägde, Dienstknechte, Inwohner und Tagelöhner machen einen Anteil von insgesamt 11 Prozent aus.

Kreisdiagramm über die sozialen Stati

Ansonsten finden sich noch die Eintragungen Bauarbeiter, Fabrikarbeiter, Zimmerer, Hüter, Müller, Weber, Lictoris und Amtsläutmann.

Fabrikarbeiter

Die Fabrikarbeit, im Bereich des Glasgewerbes, erfolgte in Zwiesel. Die so genannte Glasstadt Zwiesel ist heute sogar überregional bekannt.

Viehhüter, Hirte

Hüter (teilweise auch als Hütter geschrieben) meint den Vieh-Hüter oder Hirten. Teilweise war es in Herkunftsgegend meiner Vorfahren (mütterlicherseits) üblich, dass Tiere wie Ziegen, Schafe und Kühe auf einer Gemeinschaftsweide von einem Hirten aus der Dorfgemeinschaft beaufsichtigt wurden.

Müller

Die Müller meiner Vorfahren arbeiteten nachweislich mindestens über drei Generationen hinweg in der Zeit des 18. und 19. Jahrhunderts in der Raindorfmühle. Mühlen waren früher immer etwas außerhalb der Dörfer errichtet und vielfach sind heute daraus selbst kleine Ortschaften entstanden. So ist es auch mit dem heutigen Ort Raindorfmühle, welcher etwa 750 Meter nord-nordwestlich von Raindorf liegt. Die Mühle selbst ist meines Wissens nach leider nicht mehr existent. (Ich würde mich freuen, sollte mir jemand Daten, Bilder, Dokumente o. ä. über die einstige Mühle zur Verfügung stellen können.)

Lictoris, Amtmann

Der lateinische Ausdruck Lictoris kann mit Gerichtsdiener, Amtmann oder Büttel übersetzt werden. Zu lesen war diese Berufsbezeichnung in einer kirchlichen Matrikel-Eintragung, in Zusammenhang mit meinem Vorfahren Johann Graßmann, der um 1700 in Lalling gelebt hat. Mehr durch Zufall stieß ich später tatsächlich im Buch "Fürstliche Bärenjagd im Bayerischen Wald, Kapitel 6: Das herzogliche Jagdhaus zu Lalling" auf die "Spur" dieses Ahnen. (An dieser Stelle nochmals ein großes Dankeschön an die Damen des Verkehrsamtes und Herrn Schröck von der Gemeinde Lalling, für die Tipps und zur Verfügung gestellten Unterlagen!) Gemäß dem angesprochenen Kapitel trat im Jahre 1699 ein gewisser Hans Grasmann, landgerichtlicher Amtmann, als Interessent des Lallinger Grundstückes auf, wo einst das herzogliche Jagdhaus gestanden hatte. Lictoris ist also in diesem speziellen Fall mit Amtmann zu übersetzen, mein Vorfahre Johann Graßmann war somit ein Vollzugsbeamter des Pflegers, oft auch Amtsscherge oder Amtsknecht genannt. (Der Pfleger ist der oberste Gerichts- und Verwaltungsbeamte eines Gerichtsbezirkes.) Amtsmänner waren somit eher wenig beliebte Mitmenschen, hatten sie doch beispielsweise für die Verbreitung der obrigkeitlichen Gebote und Befehle zu sorgen, Pfändungen und Urteile zu vollstrecken, Vorladungen vor das Landgericht zu überbringen, Gefangennahmen durchzuführen, sowie Nachforschungen und Spitzeldienste zu leisten.

Amtsläutmann

Die genauen Aufgaben eines Amtsläutmann - diese Berufsbezeichnung taucht bei einem Ahnen Ende des 17. Jahrhunderts im Raum Ellerbach/Rinchnach auf - konnte ich leider bisher noch nicht in Erfahrung bringen.

Austrägler, Nahrungsmann

Bauernhöfe verfügten in der Regel über ein Nahrungs- oder Austragshaus, für die Zeit, wenn die Eltern im Alter einem Kind das Anwesen übergaben. Zu einem Austragshaus gehörte gewöhnlich noch ein Stall und eine kleine Scheune. Die dort Lebenden wurden Austrägler geheißen, seltener findet sich auch der Begriff Nahrungsmann bzw. Nahrungsfrau.

Die obige Kreisdiagramm-Grafik gibt den jeweiligen Sozialstatus bzw. Beruf anteilemäßig wieder. Dabei sind Männer wie Frauen berücksichtigt, d. h. bei den 65% Landwirten sind auch die Landwirtinnen oder bei den 7% Tagelöhnern auch die Dienstmägde enthalten.


Ein paar Worte zur Karriere ...
Zu guter Letzt möchte ich noch bemerken, dass etliche Vorfahren nicht ein Leben lang den selben sozialen Status inne hatten. Vielmehr ist teilweise ein gewisser Werdegang erkennbar. Schon alleine anhand der Kirchenbuchaufzeichnungen aller Kinder eines Paares, läßt sich ein Berufs- oder Statuswechsel nachzeichnen und sogar grob zeitlich einordnen. Exemplarisch sei dies bei Johann Niedermaier (KN 30) und Walburga Niedermaier (KN 31) dargestellt: Bei der Geburt des ersten, noch unehelichen Kindes Paulus 1869, wird der Vater lediglich als Inwohnerssohn aus Hintberg und die Mutter als Inwohnerstochter von Raindorf bezeichnet. Spätestens nach der Heirat 1871 und der Geburt einer Tochter Katharina im gleichen Jahr, scheinen die Eltern nun gemeinsam in Hintberg als Inwohner zu leben. Vermutlich arbeiteten sie daher wohl als Tagelöhner. Etwa um das Jahr 1876 (±1) muß der Vater ein "Häusler" geworden sein, was den Schluß zuläßt, dass das Ehepaar Johann und Walburga Niedermaier zu dieser Zeit ein eigenes Häuschen ihr eigen nennen können. Schließlich findet sich erstmals 1885 die Bezeichnung Gütler, d. h. nun gehörte ihnen zudem auch ein kleines Gut Land das sie bewirtschafteten.



© Christian Benz