Ethnologische Beschreibung

Der königliche Landgerichtsbezirk Regen von 1860


Eheliches Leben

»Größten- und meistentheils leben die verheuratheten Ehegatten in Frieden und Eintracht, und des jungen Volkes ganzes Streben geht dahin mit der Zeit einen eigenen Herd gründen zu können.
Die gewöhnliche Zeit der Eingehung einer Ehe ist bei dem weiblichen Geschlechte sehr selten vor dem 20 Jahre noch seltener aber bei dem männlichen Geschlechte. Die gewöhnliche Zeit der Verheurathung ist die Mitte der zwanziger Jahre bei dem weiblichen Geschlechte, im Anfang der dreißiger Jahre bei dem männlichen Geschlechte.
Die Weibspersonen sehen hauptsächlich darauf, daß sie einen schönen, guten Hof erheurathen, während die Männer sich um Hochzeiterinen umsehen die ein großes Heurathsgut erhalten.
Bemerkt wird noch, daß der Besitz von großen schönen Waldungen bei diesen ehelichen Bewerbungen den Ausschlag gibt.
Bei den sogenannten Inwohnern oder Inleuten treten die Ehen später ein, denn die Gemeinden ehe sie ihre Bewilligung zur Ansäßigmachung von zwei Personen ertheilen, wollen sich oft mehrere Jahre überzeugen, daß diese Personen beiderlei Geschlechtes arbeitsam, häuslich und sparsam sind und daß sie überhaupt einen guten Leumund führen.
Dieß gilt auch von Taglöhnern in den Märkten, worüber sich die Gemeindebevollmächtigten den Armenpflegschaftsrath etc. von Fleiß, Sparsamkeit u. d. gl. zuvor überzeugen müßen, ehe sie die Bewilligung zur Verheurathung ertheilen. Überhaupt sind die Gemeinden und 2 Magistrate mit derlei Gesuchen sehr belästigt, da alles gerne heurathen will, obgleich sich solche Personen oft kaum zur Nothdurft ausweisen können, mit was sie sich nach ihrer Verehelichung ernähren, da ein Hang zur Ehelosigkeit durchaus nicht vorhanden ist. Die Fruchtbarkeit an Kindern darf man in unserer Gegend als eine vorzügliche bezeichnen. Nammentlich ist die Fruchtbarkeit bei den ärmeren Familien durch zahlreiche Nachkommenschaft gesegneter als bei Wohlhabenden.
Im Durchschnitt treffen auf ein Ehepaar 4 - 5 lebende Kinder. Geschlechtsausschweifung, welchen Grades nur immer kommen äußerst selten vor.
Schwangere Weiber verschonen sich bei anstrengenden Arbeiten und werden auch von ihren Männern mit solchen Arbeiten in der Regel verschont. Dieß gilt auch während ihres Wochenbettes und bemerken Männer, daß bei dem Geburtsakt durch die beeideten Hebammen aufmerksam gemacht, irgend ein Hinderniß vor oder nach der Geburt stattfindet, so wird in der Regel nach einem Geburtshelfer um Hilfe gesendet.«

Vorhergendes Kapitel Zurück zum Kapitel
"Vergnügungen, Feste, besondere Gewohnheiten"
Folgendes Kapitel Weiter zum Kapitel
"Geistige Constitution"


Quelle u. a. "Staatsbibliothek München"