Mit zu den ersten - problemlos und praktisch jederzeit zugänglichen - Quellen bei der Familienforschung, zählen Grabsteine in Friedhöfen sowie Gedenk- und Totenbretter. Von diesen lassen sich bereits Daten über den Geburts- und Sterbetag, vielleicht auch den Wohnort, eines Vorfahren sammeln, ohne das Standesamt oder ein Archiv bemühen zu müssen.
Toten- und Gedenkbretter zählen, genau so wie Weg- und Feldkreuze, Bildstöcke, Feldkapellen, Kreuzwege und dergleichen, zu den Flurdenkmälern, die im Bayerischen Wald und Landkreisgebiet Regen noch heute zahlreich anzutreffen sind. Totenbretter sind für die Landschaft des Bayerischen Waldes charakteristisch, das Aufstellen dieser Bretter ist ein alter Brauch.
Als es früher noch keine Leichenhäuser gab, machte man mit dem Leichnam wenig Umstände. Man wickelte ihn nach alter Sitte in ein Leinentuch, nähte es zusammen und legte die Leiche auf ein Brett. Zwischen zwei Stühlen oder auf eine Bank gelegt, bahrte man auf dem Brett den erstarrten Leichnam bis zum Begräbnis zunächst in der Stube auf. Die Leiche wurde dann auf dieser Unterlage festgebunden und zum Grab gefahren oder getragen. Dort ließ man den Leichnam entweder mitsamt dem Brett ins Grab hinunter, oder schob ihn - mit den Füßen voran - auf dem Brett schräg in die Grube, löste die Fesseln und zog es wieder hoch, so dass der Leichnam langsam von seiner Unterlage auf den Grabboden rutschte. Daher kommt auch der alte Ausdruck "Brettlrutschen" oder auch die frühere Bezeichnung "Rutschbrett". Es konnte übrigens in besonders abgelegenen und verschneiten Ortschaften durchaus vorkommen, dass die Verstorbenen auf dem Brett über Wochen oder gar Monate aufgebahrt werden mußten, ehe man die Leichen zum Friedhof transportieren konnte.
Wenn das Bahrbrett nicht mit ins Grab wanderte, aber dem Toten gegenüber seine Schuldigkeit getan hatte, wurde damit in verschiedener Weise verfahren. Entweder wurde es verbrannt, für weitere Todesfälle aufbewahrt, oder man gestaltete das Aufbahrungsbrett um, zum Erinnerungszeichen an den Verstorbenen - zum eigentlichen Totenbrett. Zunächst wurden in diese Bretter lediglich drei Kreuze für gewöhnlich auf die Seite, wo der Tote niedergelegt war, geschnitten, gebrannt oder gezeichnet. Solche Bretter können als die Urform eines Totenbrettes bezeichnet werden.
Diese Totenbretter stellte man dann an bestimmten Stellen in der Ortsflur auf, beispielsweise an Kapellen, Wegkreuzungen, Kirchenwegen oder auf dem eigenen Hof - eben dort wo der oder die Verstorbene zu Lebzeiten selbst verkehrte bzw. unterwegs war. In späteren Zeiten versah man die Totenbretter zusätzlich auch mit den Anfangsbuchstaben des Namens und dem Todesjahr des Verstorbenen. In jüngerer Zeit wurden diese Bretter einem Schreiner übergeben, der sie mit verschiedenen Verzierungen versah. Zunächst hobelte und säumte er nur das Brett. Dann wurde auch an der Form gefeilt - die Bretter wurden gekürzt, die Ecken fielen, oben, wo der Kopf des Verlebten geruht hatte, wurde das Holzbrett abgerundet; die langen Seitenkanten erhielten Einkerbungen. Neben persönlichen Angaben über den Verstorbenen wurde auch ein frommer Spruch verbunden mit der Bitte, im Gebet des Toten zu gedenken, angebracht. Wer an Totenbrettern vorüberging zog zumindest den Hut oder bekreuzigte sich. Dass die Totenbretter auch Anlaß zum Aberglauben geben konnten, zeigt nicht nur der Umstand dass die Bretter keinen anderen profanen Zwecken mehr zugeführt wurden (sieht man einmal von der vereinzelten Verwendung der Bretter als Steg oder Trittplanke ab) sondern bezeugen auch etliche Geschichten und Sagen die sich um das Totenbrett ranken.
Zur Zeit der Aufklärung wurde das Aufstellen von Totenbrettern untersagt, die bestehenden sollten beseitigt werden. Trotzdem erhielt sich aber der Brauch lebendig, auch über die Zeit hinaus, als man die Toten nicht mehr im Wohnhaus auf einem Brett aufbahrte, sondern die Aufbahrung im Sarg in einem Leichenhaus erfolgte. Die Sargbestattung wurde in Bayern auf dem Land etwa zur Zeit des 17./18. Jahrhunderts eingeführt. Jedoch hielt sich mancherorts die Verwendung des Totenbrettes als Bahrbrett ungefähr bis zum Beginn des ersten Weltkrieges. Die Bretter, die aber nun in jüngster Zeit zum Andenken an die Verstorbenen errichtet werden, sind keine Totenbretter im ursprünglichen Sinne mehr, da ja kein Toter auf ihnen gelegen hatte, sondern Gedenkbretter in Gestalt der früheren Totenbretter.
Der Anblick zerfallener und zerfallender Gedenkbretter mag zwar für den Familien- und Ahnenforscher, der in erster Linie Interesse an den aufgeführten Daten haben wird, betrüblich sein, wenn die Inschriften nicht oder nur mehr teilweise lesbar sind - der Zerfall der Bretter ist - oder besser war - jedoch beabsichtigt! Um den alten Brauch verstehen zu können, ist es nämlich wichtig zu wissen, dass nach altem Volksglauben die Seele des Verstorbenen erst dann seine Erlösung fand, wenn das Totenbrett, auf dem die Leiche einst ruhte, zerfallen oder zumindest so morsch geworden war, dass die Inschrift nicht mehr zu lesen war. Solange das Totenbrett erhalten blieb mußte auch die Seele im Fegefeuer ausharren. War man dem Verstorbenen bzw. der armen Seele wohlgesonnen, sorgte man daher ganz bewußt dafür, dass das Totenbrett möglichst bald zerfallen mußte, indem man nur weiche und schnell verrottende Holzsorten wählte, das Totenbrett ungeschützt an solchen Stellen aufstellte an dem es Wind und Wetter ausgesetzt war, auf schützende Farb- und Lackanstriche verzichtete und von Restaurationen absah.